Unter dem Titel „Digital. Ökonomisch. Relevant“ und der damit verbundenen Ankündigung „Museen verändern sich!“ fand die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes vom 7. bis 10. Mai 2017 statt, die zugleich den Rahmen für seinen 100. Geburtstag darstellte. Mit dem Titel waren genau die Felder umrissen, die die Museen in Deutschland sehr bewegen: das Wollen aber auch die Verunsicherung im Bereich der Digitalisierung, der zunehmende Druck ökonomisch zu Handeln, und die immer wieder aufgeworfene Frage nach der Bedeutung und Relevanz von Museen in der heutigen Gesellschaft.
Ins Ausland schauen, aber noch nicht zur re:publica
Um sich diesen Aufgabenstellungen und möglichen Antworten auf die Fragen zu nähern, lud der Museumsbund viele Kollegen aus dem europäischen Ausland ein, vielleicht auch um zu überprüfen auf welchem Niveau sich denn die deutschen Museen bewegen. Diese Öffnung, so viel sei am Anfang verraten, hat der Tagung gut getan, wenn auch in den sozialen Medien noch mehr Öffnung gefordert wurde. Die Gleichzeitigkeit mit der re:publica wurde dabei immer wieder als nicht genutzte Chance ins Feld geführt. Die in räumlich unmittelbarer Nähe stattfindende Convention, setzt sich schließlich aktiv mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinander, etwas was Museum auch gerne tun (würden), ihnen aber oft der Zugang zu vielen Zielgruppen fehlt. Durch diese Gleichzeitigkeit und räumliche Nähe wurde deutlich, inwieweit sich die Museen in Deutschland auch in andere Richtungen noch öffnen müssten. Besonders erwähnenswert ist hierbei, dass die Tagung sehr stark auf Twitter begleitet wurde (zumindest für Museumsbundverhältnisse / und es lohnt sich tatsächlich auf Twitter mal #dmb17 nachzulesen), und nahezu alle Sprecherinnen und Sprecher einen Twitteraccount vorweisen konnten.
Wohin soll die Reise gehen?
Um den Blogpost halbwegs schlank zu halten, konzentriere ich mich lediglich auf die beiden Konferenztage Montag und Dienstag und lasse die Exkursionen, den Festakt und die Fachgruppen- bzw. Arbeitskreissitzungen aus. Nach den offiziellen Begrüßungen gab es die Keynotes von Prof. Dr. Andreas Reckwitz von der Viadrina und Prof. Dr. Pier Luigi Sacco von der International University of Language and Media, Mailand. Beide sollten das Feld der Tagung abstecken, Perspektiven öffnen und Fragen an die Tagung formulieren. Das ist ihnen nur zum Teil gelungen. Reckwitz, der Huntingtons These vom „Kampf der Kulturen“ (mal wieder) widerlegte und über den „Kampf um Kultur“ sprach, machte ein so weites Feld auf, dass er sich erst am Ende seines Vortrages den Museen und ihrer Funktion in der Auseinandersetzung um Hybridkultur und Kulturessentialismus widmete. Dr. Mirjam Wenzel, die Direktorin vom Jüdischen Museum Frankfurt fasste es auf Twitter prägnant zusammen: Museen sollten sich als kritische Orte der Reflexion über das Gemeinsame diverser Kulturen behaupten. Eine Empfehlung, die leider im Off der Tagung verschwand und sich in den Beiträgen und späteren Diskussionen fast nicht wiederfand. Sacco im Anschluss konzentrierte sich stärker auf die Veränderungen, die Kultur und insbesondere Museen durchgemacht haben, wo sie heute stehen und wo sie hingehen sollten. Museen als Orte des „well-being“ ist für deutsche Ohren wahrscheinlich sehr gewöhnungsbedürftig, wird in Europa aber erforscht und stellt hier einen Kerninhalt von Museen dar. Museen müssen sich die Fragen nach ihrem Mandat, der Zusammenarbeit mit den Besuchern und den kulturellen und sozialen Kontexten, in denen sie sich befinden, stellen. Saccos Vortrag hat in der Tagung vielmehr eine Rolle gespielt, auch wenn zu keinem Zeitpunkt explizit auf seine Ausführungen zurückgegriffen wurde.
Relevant – or not to be
Über die zwei Tage verteilt gab es vier Panels: zur Digitalisierung, zur Ökonomie, zur Relevanz und zur Frage ob wir eine neue Museumsdefinition benötigen. Die letzte Frage wurde am Ende wohl eher mit nein beantwortet, und dafür viel stärker gefordert die aktuelle Definition neu zu interpretieren. Für dieses Ergebnis waren aber die vorherigen Sessions durchaus notwendig. In allen Panels war die Unsicherheit zu spüren, die all die Veränderungen derzeit mit sich bringen. Museen müssen sich digitalisieren, wissen aber nicht wie. Sie müssen selbstbewusster mehr Geld einfordern und ökonomischer Handeln, haben aber zu wenig Geld in der Kasse, um sich erstmal bewegen zu können. Museen wollen relevant sein, haben aber Angst, dass sie von den Zuwendungsgebern als Marketingabteilung missbraucht werden. Die Diskussionen kochten vor allem beim Thema Relevanz hoch. Auf dem Podium saßen die bereits erwähnte Dr. Mirjam Wenzel, Frits Loomeijer vom Maritimen Museum Rotterdam und Peter Skogh vom Museum für Wissenschaft und Technik in Stockholm. Dr. Gregor Isenbort von der DASA moderierte. Interessanterweise fiel in diesem Zusammenhang erst nach 72 Minuten der Name Nina Simon, die wichtigste Akteurin in dieser Debatte. Isenbort stellt provokant die Frage ins Publikum: wessen Museum ist relevant, und wer kann dies in einem Satz begründen? Nur jede_r zehnte hebt die Hand. Erstaunen macht sich breit, aber die Einschätzung dürfte ehrlich gewesen ein.
Die Tagung diskutiert
Die Diskussion auf dem Podium und mit den Zuhörer_innen drehte sich sehr stark um Zielgruppenorientierung, Identifizierung von Stakeholdern und der Befriedigung derer Bedürfnisse, sowie Kontrolle der Auswirkungen der Angebote. Alles Dinge, die vom Standpunkt des Museums als Ort des „reinen“ Bildungsauftrags befremdlich wirken können. Auf einmal tauchte die Frage auf: wie gehen Museen mit sogenannten „Bildungsfernen“ um? Lohnt sich das Investment und was heißt „sich lohnen“? Unwidersprochen war, dass das Museum nur dann relevant sein kann, wenn es sich an den Besuchern orientiert, auf dessen Bedürfnisse eingeht und ihnen mehr Möglichkeiten der Teilhabe ermöglicht. Trotzdem gab es auch Stimmen aus dem Publikum, die dem Museum mehr Subversivität wünschten und sie zum Sand im Getriebe der Globalisierung machen wollten. Diese Forderung entspringt aus der Angst, dass nur glattgeschliffene Museen relevant sind, dann keine kritischen Fragen mehr stellen und lediglich tun, was die Zuwendungsgeber von ihr verlangen. Loomeijer hatte klar formuliert und wahrscheinlich deswegen die Reaktion provoziert: entweder ein Museum ist erfolgreich, oder es kämpft ums Überleben. Aber ist das ein Widerspruch zu Relevanz? Der Präsident, Prof. Dr. Eckart Köhne, brachte dazu den wichtigsten Konter: „Über die Relevanz eines Museums entscheiden nicht wir, sondern dessen Besucher.“ Wir müssen eben die Fragen stellen, die unsere Besucher für relevant halten und nicht unbedingt die, die wir Museumsmacher_innen für relevant halten.
Analog und Digital
In dieser einen Diskussion wurden eben auch die Panels zur Digitalisierung (sehr gut besetzt mit Antje Schmidt, Daniele Turini und Prof. Dr. Hubertus Kohle) und zur „Wa(h)re Museen“ (auch gut besetzt mit Peter Gartiser, Dr. Stefan Brandt und Daniela Rathe) aufgegriffen. Digitale Medien bieten eben die Möglichkeit der Demokratisierung von Sammlung, der Teilhabe an thematischen Auseinandersetzungen und des niedrigschwelligen Zugangs. Wobei hier immer wieder zurecht das Plädoyer gehalten wurde, dass das analoge und das digitale Museum keine verschiedenen Einrichtungen sind, sondern dass der heutige Besucher beides rezipiert, in beiden Welten zuhause ist und auf beiden Seiten dem Museum begegnen möchte. Relevant sein bedeutet auch im digitalen Raum vor Ort zu sein. Vielleicht mit neuen Berufen, oder mit den gleiche Berufen und anderen Skills. Twitternde Kuratoren sollten in Zukunft keine Besonderheit, sondern Normalität darstellen. Einschränkend muss ich jedoch sagen, dass es bei der Digitalisierung meist nur um Kunst geht und nie um Alltagsgegenstände.
Jetzt kommt aber die Ökonomie ins Spiel. Museen müssen sich verändern und benötigen dafür finanziellen Spielraum, der strukturell sein muss und eben nicht immer nur projektgebunden gegeben werden kann. Restrukturierung und change management sind lange Prozesse, die nicht mit Bordmitteln geschafft werden können. Outreachprogramme, um auch Nichtbesucher zu erreichen, brauchen genauso Finanzmittel, wie die Schaffung neuer Stellen (um die es bei der Tagung leider nie ging) wie access oder community curators.
Zeit zu starten
Am Ende der Tagung stand fest, dass der Museumsbund klar ein Zeichen zum Aufbruch gesetzt hat (das er auch mutig in einem Appell formuliert hat), das aber nicht der völligen Ökonomisierung (wie sie teilweise in Großbritannien oder Skandinavien stattfindet) freie Bahn gibt. Es stellt sich die Frage inwieweit seine Mitglieder dem Signal folgen werden. Veränderung schafft Ängste und diese Ängste lähmen. Es braucht den Mut einfach mal loszulegen, Dinge auszuprobieren (auch hier war der Museumsbund vorbildhaft mit einem Ideen-Slam und dem „graphic recording“ der Tagung), zu scheitern und das Museum neu zu denken: als einen Ort, und hier greife ich doch wieder auf Reckwitz zurück, der kritischen Reflexion über das Gemeinsame diverser Kulturen. Was es dafür braucht ist: Lernen von Vorbildern, die Vermittlung von Werkzeugen, die einem durch die Veränderung helfen und eben: Geld.
Update:
Es gibt noch weitere Beiträge im Netz zur Tagung:
Der Beitrag von Barbara Fischer von Wikimedia in der FG Geschichtsmuseen
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