Was bedeutet Führung im Museum? Wir reden viel darüber welche Aufgaben Museen heute, morgen und übermorgen haben oder haben sollen. Wir reden aber sehr wenig darüber wie die Museen intern für diese Aufgaben aufgestellt sein müssen. Wie hierarchisch sind sie? Wie sind die Organisationsstrukturen? Welche Qualitäten muss eine Führungskraft im Museum mitbringen? Wenn wir open acess propagieren, wie open sind die Strukturen eines Museums? Das alles ist eine Diskussion, die noch gar nicht richtig begonnen hat in Deutschland, die aber von grundlegender Bedeutung für den Wandel der Museen ist.
Von der Hierarchie zum Projekt
Viele Museen in Deutschland sind heute streng hierarchisch organisiert. Entscheidungen werden über lange Dienstwege transportiert und prinzipiell herrscht eher Misstrauen als Vertrauen. Das es auch anders gehen kann, erläuterte Paul Spies vom Stadtmuseum Berlin bei einem Vernetzungstreffen der Museion21-Stipendiaten am 12. Juni in Hannover. Ziel seines change management in Berlin ist es, das Museum weniger in starren Strukturen zu führen, als vielmehr projektorientiert in eine agile Organisation zu überführen. Damit will er starre Abeilungsstrukturen auflösen, und für jedes Projekt immer wieder neue Teams zusammenzustellen. Seine Erfahrung ist, dass Abteilungen dazu neigen sich gegen andere Abteilungen abzugrenzen und abzuschotten. Der Wille zur Kooperation ist gering und der Wunsch die eigenen Interessen und den eigenen Einfluss innerhalb der Organisation zu stärken groß. Das ist wenig förderlich für eine Gesamtstrategie des Hauses, da Einzelinteressen überwiegen. Mit der Hinwendung zu einer Projektstruktur bei der Mitarbeiter_innen aus den verschiedenen Bereichen eines Museums immer wieder neu zusammengesetzt werden und die Projektleitung auch über die verschiedenen Bereiche des Museums neu vergeben werden, wächst das Verständnis für die Bedürfnisse und die Expertise der anderen Kolleg_innen. Ein schwieriger Weg, aber meiner Meinung nach lohnt er sich. Warum?
Führung im Museum bedeutet Vertrauen
Der Wechsel in eine solche agile Struktur treibt jedem von uns Angstschweiß auf die Stirn. Jedem fallen dutzende Beispiele dafür ein, wen man auf keinen Fall in einem Projektteam haben möchte und warum er oder sie auch keinesfalls in der Lage ist so ein Team gar noch zu leiten. Wir misstrauen eben sehr. Paul Spies arbeitete schon in Amsterdam bei Ausstellungsprojekten mit der Maxime „see you at the opening“ und das mit Erfolg. „See you at the opening“ heißt, dass er das Projektteam zusammenstellte, damit war das Thema klar, die Finanzen, der Ort und der Zeitraum, dann verabschiedete er sich als Direktor aus dem Projekt und sagte „see you at the opening!“ Er mischte sich nicht mehr ein, es sei denn, das Projektteam verlangte von ihm eine Entscheidung. Keine Vorgaben, keine Richtungsentscheidung, keine Kontrolle und keine Bevormundung. Das ist Vertrauen. Paul Spies betreibt das auf sehr radikale Weise und ich kann nur sagen, dass mir diese Lockerheit selbst fehlt. Zu groß ist die Sorge, dass die Qualität nicht stimmen könnte, dass Zuwendungsgeber nicht zufrieden sind oder dass Themen angesprochen werden, die man selber lieber umschifft hätte. Es ist also festzuhalten, dass es ein mutiger Weg ist. Jede_r von uns wünscht sich so eine_n Vorgesetzte_n. So viel Vertrauen wir in unsere eigene Kreativität, in unser eigenes Wissen und in unser eigenes Geschick haben, so wenig haben wir es meist in das unserer Kolleg_innen. Wie oft hat jede_r von uns schon gedacht: „Lasst mich mal machen, das wird schon.“ Dieses Gefühl müssen wir Führungskräfte bestärken, unseren Mitarbeiter_innen das Vertrauen schenken, dass sie in der Lage sind ihre Aufgaben ohne uns hervorragend umzusetzen. Paul Spies sieht Führungskräfte auch nicht als leader, die wissen wo es lang geht, sondern als coaches, die ihren Mitarbeiter_innen dabei unterstützen sich weiterzuentwickeln.
Welche Vorteile bringt aber die Projektstruktur mit wechselnden Teams? Speziell bei großen Häusern ist interdisziplinäre Arbeit zwar gewünscht, aber selten Realität. Wenn für die Mitarbeiter_innen aber nicht mehr die Abteilung der Hauptbezugspunkt ist, sondern die Teams in den Projekten in die jede_r involviert ist, so verschiebt sich der Interessenschwerpunkt weg davon die Abteilung besonders gut dastehen zu lassen, sondern die Projekte erfolgreich umzusetzen. Mein Erfolg ist nur dann ein Erfolg, wenn das Projekt gelingt. Durch die immer wieder neuen Teams kann jede_r sich so weiterentwickeln, dass er oder sie ein_e Spezialist_in für bestimmte Themen wird, der oder die automatisch für besondere Aufgaben in neue Teams kommt. Auch das Abschaffen einer kleinen Gruppe von Projektleiter_innen und die Fortbildung vieler Mitarbeiter_innen zu Projektleiter_innen stärkt die Vielfalt und damit auch die Varianten in der Projektumsetzung.
Äußere Veränderungen verlangen auch interne Prozesse
Was hat das mit den Veränderungen zu tun, die die Museen zur Zeit durchmachen? Museen sollen relevant sein, neue Zielgruppen erschließen, ihre Sammlung digitalisieren und für alle zugänglich machen. Sie sollen demokratischer werden und die Diversität der Gesellschaft abbilden. Wenn die Museen auf diesen Feldern bestehen wollen, dann müssen sie sich permanent neu erfinden, Zentren der Kreativität, der Gesellschaft und nicht mehr nur des kulturellen Lebens werden. Dazu benötigen sie die Kreativität all ihrer Mitarbeiter und nicht nur die weniger. Sie müssen ihr Personal als eine der wichtigsten Ressourcen begreifen. Ein Hinwendung zum Publikum, eine Orientierung zu den Besuchern und deren Bedürfnissen, bedeutet auch eine erhöhte Aufmerksamkeit und Förderung der eigenen Mitarbeiter_innen. Führung im Museum ist nicht mehr der große Geist, der über dem Wasser schwebt, sondern Unterstützer_in und Motivator_in zu sein. Das ist im Alltag nicht immer ganz einfach: eine Information, die zu spät an eine Kollegin weiterergereicht wird, kann zu Vertrauensverlust führen. Das Ergänzen eines bestehenden Teams um eine weitere Person kann dieselbe Folge haben. Der Großteil ist Wertschätzung und Kommunikation, offene Kommunikation, um alle mitzunehmen, und niemandem das Gefühl zu geben, dass er oder sie von Informationen abgeschnitten ist. Aber eben auch der Wandel von Strukturen.
Wenn wir also die Museen durch die stürmischen Gewässer der Transformation segeln lassen, so vertrauen wir auf unser Team, das genauso ein Interesse daran hat, dass das Schiff gut durchkommt. Eben nicht so, wie es in dem alten Spruch heißt: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt gibt es einen der das regelt.“
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