Es ist in aller Munde: Open Access! Freier, ungehinderter Zugang zur Sammlung, zum Museum durch digitale Medien. Wer kann heute dagegen sein, wer will überhaupt dagegen sein? Und dennoch ist die Forderung, das gewünschte Ziel doch nur ein Schritt: ein „A“-Sagen ohne „B“. Warum ich das so sehe, ist mir schon lange ein Anliegen, es in einem Post festzuhalten. Denn meist wird hier lediglich von der Digitalisierung der Sammlung gesprochen und mehr nicht.
Digitalisieren für den Open Access! Und sonst so?
Die Digitalisierung der Sammlung wird oft als Demokratisierung des Museums interpretiert. Endlich wacht kein Kurator mehr vor der Depottür, der unliebsame Geister mit Unterstützung von Restauratoren wegbeißt und die Sammlung als die Seinige begreift. Die Digitalisierung der Sammlung ermöglicht allen einen Zugang und eine freie, unabhängige Auseinandersetzung mit den Objekten, ein vom Museum autonomes Kuratieren, reproduzieren, sampeln, kopieren oder persiflieren. Ist das wirklich so? Wenn ich mir die meisten best practice Beispiele anschaue, so handelt es sich in der Regel um die digitalisierten Sammlungen von Kunstmuseen. Sei es das Städel, die Pinakotheken oder (okay hier stimmt es nicht ganz mit dem Kunstmuseum) das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Im Digitalen wird die Sammlung weltweit verfügbar – zugänglich auch für die, die heiligen Hallen des Museums nicht betreten können. Hindernis scheint lediglich die VG Bildkunst zu sein, die als Wächter vor vielen Kunstwerken sitzt und ein beliebiges Teilen und Verbreiten für „umme“ unterbindet.
Sammlungen mit 3 Dimensionen
Wie bereits beschrieben sind die Vorzeigebeispiele Sammlungen von Kunstwerken, die sich in der Regel aus Gemälden und Fotos zusammensetzen. Auch hier muss man sehen, dass nahezu kein Museum bisher seine komplette Sammlung online gestellt hat. Auch hier wird ausgewählt und kuratiert, nur eben mit einer deutlichen größeren Anzahl von Objekten, die in Ausstellungen zeigbar sind. Objekte, die nicht allein mit ihrer Ästhetik punkten können und vielleicht noch eine dritte Dimension haben und so nicht mit einem Foto allein dargestellt werden können, machen bei der Digitalisierung Schwierigkeiten. Sie können meist nicht einfach mit ein paar dürren Eckdaten (Künstler, Entstehungsjahr, Technik) online gestellt werden und damit zugänglich gemacht werden. Sie brauchen neben einer größeren Anzahl von Fotos auch ihren Kontext, wenn sie nicht allein der Befriedigung von Nostalgie dienen sollen. Auch das Museum der Alltagskultur hat sich vor Jahren auf tumblr an so einer virtuellen Öffnung versucht und einzelne „Helden des Alltags“ vorgestellt. Das DDR-Museum zeigt zur Zeit dass man auf Instagram mit Objektfotos und kurzem Begleittext durchaus reüssieren kann. Ich bin mir sehr unsicher bei solchen Maßnahmen. Befriedigen sie wirklich nur Nostalgie oder regen sie zum Nachdenken an? Muss uns als Museum das interessieren? Was wollen wir mit solchen Online-Angeboten erreichen? Habe ich da selber nur wieder die Angst Deutung, Interpretation und Kontextualisierung von Sammlungsobjekten loszulassen? Haben wir im Digitalen einen Bildungsauftrag, oder ist es doch nur Aufmerksamkeitserreger?
Open Access in den Depots?
Doch nochmals weg vom Digitalen. Wie ernst kann Open Access sein, der sich nur auf das Digitale beschränkt? Muss Open Access nicht den Zugang zur Sammlung im Realen bedeuten? Da der überwältigende Teil unserer Sammlungen in den Depots liegt, müsste Open Access dann Open Storage sein. Etwas was nahezu nicht leistbar ist. Das Badische Landesmuseum wagt sich mit seinem Projekt „Expothek“ an die Thematik heran und deutet an, dass sich das Verhältnis von Museum und Besucher verändern wird. Und zwar zu einem von Museum und Nutzer, wie wir es bisher im Digitalen kennen. Alle anderen offenen Depots, die dann gerne als Schaudepot firmieren sind in der Regel auch nur Ausschnitte, wohl kuratiert aber halt in Depot-Ästhetik. Bekanntestes Beispiel hierfür ist sicher das Schaumagazin des Focke-Museums in Bremen. Welche Rolle kann hier das Reproduzieren dank digitaler Technik spielen? Scannen und 3D-Drucken wird immer günstiger und einfacher. Kann ich mir Repros aus dem Depot bestellen und zuhause auf den Kaminsims stellen? Gerade in dem Maßstab wie es zu meiner Einrichtung passt? Sind Museen dann einfach ein großes Depot für Formvorlagen? Aber wir wissen alle, dass eine Reproduktion ein Original niemals ersetzen kann. Zu viele Informationengehen während der Digitalisierung verloren. Open acces bedeutet eben nicht nur Reproduktion von Reproduzierbarem, sondern Auseinandersetzung mit dem Original.
Wohin also mit Open Access?
Ich gebe zu, dass ich keine Lösung habe. Es zeigt nur einmal mehr, dass wir auch Dinge die wir bisher nur im Digitalen denken ins Analoge übertragen müssen. Konsequent in beiden Welten identisch handeln. Also nicht im Digitalen die Tore aufstoßen und im Depot die Schlösser vorhängen. Leicht gesagt, aber trotzdem ein Plädoyer dafür das Digitale nicht als Kompensation für das Nicht-Erreichbare im Analogen zu verwenden. Es sei denn als Brückenlösung. Denn Veränderungen sind im Analogen meist komplexer und aufwändiger denn als im Digitalen.
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